
Mit dem Rennrad nach Malmö – Freiheit auf zwei Rädern (part 2)
Im Juni startete Versuch #1 mit dem Rennrad von Groitzsch nach Malmö zu fahren. Wie du vielleicht weißt, fahre ich jedes Jahr solch eine Tour. Immer mit einem anderen Ziel und doch demselben. Einfach raus. Die Natur spüren. Die Grenzen meines Körpers. Den Asphalt. Meine Me-Time.
Im Juni musste ich allerdings auch das erste Mal in meinem Leben aufgeben. Die Tour abbrechen. Mein Körper hat mir dieses Mal deutlich meine Grenzen aufgezeigt. Aber wer mich näher kennt, weiß, ich gebe niemals auf.
Also starte ich nun Versuch #2. Und auch dieses Mal nehme ich dich wieder mit. Durch Sonne, Regen, Schmerzen und auch die wundervollsten Begegnungen mit fremden Menschen und der Natur.
Morgen früh 4 Uhr geht es los. Sei dabei. Ich update diesen Blog natürlich wieder täglich. Ich freu mich auf deine Emotionen und dein Feedback.
Tag 1: Mit dem Zug nach Perleberg, mit dem Rad nach Lübeck
So ist zumindest der Plan bisher. Ich starte dort, wo ich im Juni aussteigen musste. Das Ziel für heute: Abends mit meinem Arbeitskollegen im Irish Pub in Lübeck ein Bier trinken. Mal sehen, ob die DB da mitspielt … und meine Sehne.
Der Tag startete mit einiger Aufregung: Regen, Zugausfälle, alternative Routen, pöbelnde Reichsbürger und Naziparolen in der S-Bahn. Herzlich willkommen Meinungsfreiheit. Zum Glück hatte ich auch die Freiheit einfach daran vorbei zu fahren. Und dann kam im schönen Norden doch tatsächlich die Sonne raus und hielt sich den ganzen Tag. Es war eine traumhafte Fahrt.
Im Hotel angekommen sprang ich unter die Dusche und musste leider meinem Kollegen absagen. Mein Körper braucht jetzt Ruhe und vor allem Schlaf nach der letzten Nacht.


Morgen folgt die nächste Etappe über Fehmarn. Dann setze ich mit der Fähre nach Dänemark über.
Tag 2: Von Lübeck nach Fehmarn und mit der Fähre nach Dänemark
Einen Latte Macchiato mit Hafermilch, die Füße hochlegen und die Sonne im Gesicht. Gibt es etwas Schöneres? Das war die kleine Pause auf der Fähre heute.
Ich wurde heute gefragt, ob ich abends zu müde zum Bloggen sei, weil meine Texte nicht mehr so ausführlich sind. Die Antwort ist ja. Aber Kritik ist ja wohlwollendes Feedback. Also gibt es heute wieder einen ausführlicheren Abschnitt für dich.
Heute bin ich sehr zähe 120 km mit viel Gegenwind von Lübeck nach Oldenburg gefahren, über die Fehmarnsundbrücke und einmal quer über die Insel. Hier kenne ich mich ja aus von meinem Besuch im Juni. Da kam direkt ein bisschen Urlaubsfeeling auf. Der Wind war heute mein stärkster Gegner. Diese ständigen, unsichtbaren Schläge gegen die Schulter, die den Schnitt gnadenlos nach unten drücken. Es war harte Arbeit, jede einzelne Umdrehung der Kurbel. Aber genau das ist es ja, warum wir uns aufs Rad setzen: um zu spüren, dass wir leben, dass wir kämpfen. Und dann dieses beflügelnde Gefühl, als ich nach Oldenburg endlich die Rampe zur Fehmarnsundbrücke hochkletterte – ein majestätisches Bauwerk, das Norddeutschland wie eine gespannte Sehne mit der Insel verbindet. Oben angekommen, öffnet sich dieser weite, salzige Blick über die Ostsee. Du weißt, jetzt bist du wirklich weg. Ein kurzer Check der Taschen, ein tiefer Atemzug. Augen zu und durch, denn jetzt hieß es: Schieben! Unmöglich bei 65 km/h Ostwind weiter zufahren. Selbst beim Schieben konnte ich mich kaum auf den Beinen halten. Weiter ging einmal quer durch die weiten Felder Fehmarns bis zum Fährhafen in Puttgarden, dem Tor nach Skandinavien. Ein Tag voller Herausforderungen, aber auch unschlagbarer Belohnungen.
Die Überfahrt selbst war – nun ja, Nervenkitzel pur. Wenn du das erste Mal mit dem voll bepackten Rennrad zwischen riesigen LKW in den engen Bauch der Fähre rollst, schlägt das Radlerherz etwas schneller. Es ist ein surrealer Moment der Stille und des Wartens zwischen den tonnenschweren Stahlkolossen. Aber kaum war das Rad verzurrt, hieß es: ab aufs Sonnendeck! Eine halbe Stunde Me-Time, in der die Sonne das Salz aus den Haaren brennt und der verkrampfte Rücken endlich eine Pause bekommt.
Und dann: Dänemark! Die erste Kurve nach dem Fährhafen macht sofort klar, warum dieses Land ein Radler-Paradies ist. Perfekte, abgegrenzte Radwege und sogar auf der Straße spürst du den dänischen Respekt vor den Pedalrittern. Die letzten Kilometer bis zur Unterkunft waren ein Genuss – weite Blicke, frische Luft und der Asphalt rollte nur so unter den Reifen weg. Mein Nachtlager habe ich in einem niedlichen Pilgerhaus am Kloster Maribo gefunden. Kein WLAN, kein unnötiger Trubel, dafür eine Bibel auf dem Zimmer und eine himmlische Stille an einem kleinen See. Ich habe den Sonnenuntergang über dem Wasser genossen, meine Radkleidung gewaschen (halte die Daumen, dass sie trocken wird!) und liege jetzt völlig erschöpft, aber glücklich im Bett. Malmö rückt näher.




Morgen geht es dann weiter: Ich freue mich auf die Hauptstadt – Kopenhagen, ich komme!
Tag 3: Vom Pilgerhaus in die Metropole – Mein bester Tag auf dem Rad!
Es gibt Tage, da passt einfach alles. Und Tag 3 war nicht nur gut – er war vermutlich die beste Tagestour, die ich je gefahren bin. Nach dem zähen Tag 2 brauchte mein Rennrad-Herz diese Belohnung.
Die Nacht im Pilgerhaus am Kloster Maribo war himmlisch. Du wachst auf und weißt: Hier zählt nur die Stille, die frische Morgenluft und die bevorstehende Tour. Ich habe mein Rad im Morgengrauen beladen und bin losgerollt – raus aus der Idylle und rein in den dänischen Radfahrtraum.
Dänemark, ich muss es noch einmal sagen, ist ein Traum für uns Radfahrer. Die Straßen sind nicht nur gut, sie sind oft eine eigene Welt. Den ganzen Tag über hatte ich das Gefühl, die Radwege wurden extra für diese Tour gebaut. Und dazu das Wetter: Sonne satt, die perfekt mit dem Blau der Ostsee harmonierte.
Nach den ersten Kilometern durch wunderschöne Landschaften kam der absolute Höhepunkt: die atemberaubende Storstrømsbroen. Du fährst darauf zu und fühlst dich klein, aber unglaublich frei.
Die Aussicht von dort oben, mit dem Wind im Gesicht und der Ostsee zu beiden Seiten, ist unbeschreiblich. Es ist das Bild, das auf meiner inneren Festplatte für diese Reise gespeichert ist. Ich habe kurz angehalten, tief durchgeatmet und mir gesagt: Dafür machst du das. Die perfekte Mischung aus sportlicher Leistung und unvergleichlicher Schönheit.
Doch wie das auf großen Touren so ist: Ein bisschen Drama muss sein. Als ich heute Morgen das Rad startete, fiel mir fast das Herz in die Hose: Mein Navi war fast leer! Ich hatte gestern Abend das Ladekabel eingesteckt, aber der verdammte Wackelkontakt hat zugeschlagen und über Nacht nichts geladen.
Das hieß: 133 Kilometer im Ultra-Stromspar-Modus. Auf den traumhaften Wegen außerhalb von Kopenhagen war das noch machbar, aber dann kam die Metropole. Die letzten Kilometer durch das Gewirr von Kopenhagens Straßen, Baustellen und Verkehr bin ich im sprichwörtlichen Blindflug gefahren. Kein Navi, nur die Hoffnung, dass die grobe Richtung stimmt. Herzklopfen pur, aber auch ein Adrenalin-Kick, der mich bis vors Hotel getragen hat.
Nach stolzen 133 Kilometern bin ich in der Hauptstadt angekommen. Und Kopenhagen ist sofort elektrisierend!
Nachdem ich mein Rad abgestellt hatte, erfüllte ich mir einen kleinen, lang gehegten Traum: Ich checkte in einem Kapselhotel ein! Ich liebe diese Mischung aus Minimalismus und Effizienz, die uns Skandinavien immer wieder vormacht. Es ist der perfekte Ort, um nach einem langen Tag zur Ruhe zu kommen – alles, was du brauchst, auf kleinstem Raum.
Gerade sitze ich in einem gemütlichen pakistanischen Restaurant und genieße mein Abendessen. Die Beine sind müde, aber der Kopf ist voller Glückshormone. Ich habe heute nicht nur eine Strecke, sondern meine vermutlich beste Tagestour aller Zeiten gemeistert – trotz leerem Akku.



Morgen geht es weiter Richtung Schweden. Ich bin schon gespannt, welche Abenteuer die nächste Etappe bereithält. Drückt mir die Daumen, dass meine Beine heute Nacht schnell regenerieren
Tag 4: Finish Line! Von Kopenhagen in die Malmö-Realität
Es ist geschafft. Ich sitze am Hauptbahnhof und warte auf meinen Bus nach Leipzig. Die Beine sind schwer, der Magen voll. Aber spulen wir den Tag noch einmal zurück, denn es war ein Finale der Superlative.
Gestartet bin ich heute Morgen mit einem skandinavisch-minimalistischen Frühstück in Kopenhagen. Genau die richtige Basis für das, was kommen sollte. Dann der Blick nach draußen: Sonne satt, 14 Grad Celsius. Es hätte nicht besser laufen können.
In Kopenhagen sind am Sonntag schon vor 9 Uhr unglaublich viele Jogger unterwegs. Es ist inspirierend, da ich ja auch gern laufe, aber ich war heute im Rennrad-Modus – und es rollte einfach fantastisch! Die Kilometer flogen nur so dahin. Kaum verließ ich die städtischen Parks, führte die Route am wunderschönen Strand und Meer entlang. Hier lösten die vielen Rennrad-Pros die Jogger ab.
In unter zwei Stunden hatte ich die Fähre in Helsingør erreicht und schon war ich auf dem Weg nach Schweden.
Doch kaum hatte ich in Helsingborg schwedischen Boden unter den Reifen, zog sich der Himmel zu. Der Wechsel war abrupt: Es wurde kälter und windiger. Die Zeit des Kurzarmtrikots war vorbei. Schweden empfing mich mit nordischer Kühle und dem Versprechen, dass ich mir die letzten Kilometer bis zum Ziel hart erarbeiten muss.
Um 15:30 Uhr war es dann so weit: Malmö.
Die Stadt war größer und industrieller, als ich es mir ausgemalt hatte. Der Moment, in dem ich ankam, war pure Erleichterung, Stolz und Glück.
Nachdem das Rad sicher verstaut war, gab es die einzig wahre Belohnung: eine riesige, verdiente Pizza! Und weil ich als Reiseberaterin auch die lokale Kultur checken muss, war ich danach noch schnell „typical food“ shoppen. In einer Stunde geht mein FlixBus nach Leipzig. Ich bin glücklich und müde. Mein Körper hat mir beim letzten Mal die Grenzen aufgezeigt, ich bin hingefallen und wieder aufgestanden, und dieses Mal habe ich es bis zum Ziel geschafft.
Mission Malmö: Erfolgreich abgeschlossen!



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